Skip to main content
All
11. Mai 2020

COVID-19: Wie Arbeitgeber die Krise bewältigen und sich auf eine Rückkehr an den Arbeitsplatz vorbereiten können

Coronavirus: Labor and Employment Advisory

Um unseren Mandanten bei der Bewältigung der Coronavirus-Krise (COVID-19) zu helfen, hat Arnold & Porter eine Coronavirus Task Force eingerichtet, die ein breites Spektrum an Themen und Herausforderungen abdeckt. Tragen Sie sich in unsere Mailingliste "Coronavirus (COVID-19)" ein, um unsere neuesten Mandantenempfehlungen zu erhalten und sich für kommende Webinare zu registrieren link.

I. Einleitung

Seit Mitte März 2020 gelten in Deutschland strenge Kontaktbeschränkungen. Möglicherweise hatten Sie schon zuvor, aber spätestens zu diesem Zeitpunkt Maßnahmen ergriffen, um Ihre Mitarbeiter vor der Ansteckung mit Covid-19 zu schützen. Insbesondere verschärfte Hygienemaßnahmen waren von Anbeginn der Covid-19 Krise das Gebot der Stunde. Nach Möglichkeit haben viele Arbeitgeber auf die Tätigkeit aus dem Home Office umgestellt, während andere dies aus praktischen Gründen nicht einrichten konnten und besondere Vorkehrungen zum Schutz der Mitarbeiter vor Ort im Unternehmen treffen mussten.

Als Arbeitgeber werden Sie dabei auch darüber hinausgehende Maßnahmen ergriffen oder zumindest erwogen haben, um Ihr Unternehmen bestmöglich auf die Krise einzustellen. In Betracht kommt die Einführung von Kurzarbeit oder andere auf die strategische Ausrichtung des Unternehmens auch jenseits der Krise gerichtete Maßnahmen langfristiger Natur.

Zugleich müssen sich Unternehmen darauf einstellen, die Arbeitsabläufe neu zu organisieren, wenn es nun zu weiteren Lockerungen der Kontaktbeschränkungen kommt, ohne dass der Betrieb wie vor der Krise zum ehemals „normalen“ Zustand zurückkehren kann. Ein betrieblicher Infektionsschutzstandard, der die notwendigen zusätzlichen Schutzmaßnahmen zum Schutz der Beschäftigten vor dem Coronavirus beschreibt, soll den Arbeitnehmern in Ihrem Unternehmen die notwendige Sicherheit geben, ihre Arbeit wieder aufzunehmen.

II. Maßnahmen in der Krise

Als Arbeitgeber navigieren Sie zur Zeit Ihr Unternehmen durch die wohl größte Krise seit der Gründung der Bundesrepublik und haben dabei sowohl die wirtschaftliche Sicherheit Ihres Unternehmens als auch die Gesundheit Ihrer Mitarbeiter im Fokus.

1. Kurzfristige Maßnahmen

a) Kurzarbeit

Die Coronavirus-Pandemie stellt Wirtschaft und Arbeitsmarkt vor große Herausforderungen. Um Beschäftigte und Unternehmen zu unterstützen, ist im Eilverfahren die gesetzliche Grundlage geschaffen worden, um den Zugang zum Kurzarbeitergeld zu vereinfachen. Das Bundeskabinett hat nun auch die entsprechende Verordnung beschlossen. Mit der Verordnung (https://www.bmas.de/SharedDocs/Downloads/DE/PDF-Gesetze/kurzarbeitergeldverordnung.pdf?__blob=publicationFile&v=1) nutzt die Bundesregierung die im "Gesetz zur befristeten krisenbedingten Verbesserung der Regelungen für das Kurzarbeitergeld" eingeräumten Ermächtigungen, den Bezug von Kurzarbeitergeld zu erleichtern. So sollen Arbeitsplätze während der Corona-Pandemie in den Betrieben erhalten und Kündigungen von Beschäftigten vermieden werden.

Für einen leichteren Zugang zum Kurzarbeitergeld gemäß §§ 95 SGB III ff gelten rückwirkend zum 1. März 2020 folgende Regelungen:

(1) Empfangsberechtige Personen

Kurzarbeitergeld wird grundsätzlich nur an Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gezahlt, d.h. Mitarbeiter, die einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgehen.

Für Sonderfälle, bei denen es an dem regulären Arbeitnehmerstatus fehlt, gilt folgendes:

  • Geschäftsführer können Kurzarbeitergeld erhalten, wenn durch die Clearingstelle der Deutschen Rentenversicherung festgestellt wurde, dass sie als Arbeitnehmer und nicht selbständig tätig sind. Gesellschafter oder Geschäftsführer mit Kapitalanteil sind damit (grundsätzlich) nicht anspruchsberechtigt.
  • Berater iSv freien Mitarbeitern, die nicht im sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnis stehen, haben keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Allerdings könnte ggf. eine Scheinselbständigkeit vorliegen, wenn sie (nahezu) nur für einen Auftraggeber tätig wären.
  • Prokuristen (als leitende Angestellte) haben Anspruch auf Kurzarbeitergeld. Allerdings kann die Kurzarbeit nicht angeordnet werden. Es bedarf entweder einer Vereinbarung mit dem Sprecherausschuss (soweit vorhanden) oder einer individuellen Einigung mit dem Arbeitgeber.

(2) Voraussetzungen für den Erhalt von Kurzarbeitergeld

Für die Beantragung von Kurzarbeitergeld (KUG) gemäß §§ 95 ff. SGB III (iVm der seit 01.03.2020 rückwirkend geltenden KUG-VO vom 25.03.2020) gelten folgende Voraussetzungen:

  • Anspruch auf KUG besteht, wenn mindestens 10 Prozent der Beschäftigten einen Arbeitsentgeltausfall von mehr als 10 Prozent haben (NEU) - befristet für Arbeitsausfälle bis zum 31.12.2020.
  • KUG berechnet sich aus dem Nettoentgelt. Es beträgt in der Regel 60 Prozent des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts. Lebt mindestens ein unterhaltsberechtigtes Kind mit im Haushalt, beträgt das Kurzarbeitergeld 67 Prozent des ausgefallenen pauschalierten Nettoentgelts. Pauschaliert bedeutet, dass die „Kappung“ bei der Beitragsbemessungsgrenze in der Arbeitslosenversicherung von derzeit EUR 6.900 pro Monat ansetzt; somit sind höhere Gehälter nur durch Gehaltsverzicht reduzierbar, eventuell mit Stundungsvereinbarung.
  • Anfallende Sozialversicherungsbeiträge für ausgefallene Arbeitsstunden werden zu 100 Prozent erstattet (NEU) - befristet für Arbeitsausfälle bis zum 31.12.2020. Die bisherige auf 80% begrenzte pauschalierte Berechnung ist „ausgesetzt“.
  • Der Bezug von KUG ist bis zu 12 Monate möglich.
  • Leiharbeitnehmerinnen und Leiharbeitnehmer können ebenfalls in Kurzarbeit gehen und haben Anspruch auf KUG (NEU).
  • In Betrieben, in denen Vereinbarungen zu Arbeitszeitschwankungen genutzt werden, wird auf den Aufbau negativer Arbeitszeitkonten verzichtet.
  • Die weiteren Voraussetzungen zur Inanspruchnahme von KUG behalten ihre Gültigkeit (u.a. wirtschaftliche Grund für den Arbeitsausfall gemäß § 96 Abs. 1 SGB III). Siehe dazu auch den Gesetzestext:

http://www.gesetze-im-internet.de/sgb_3/__96.html

(3) Beachtung sonstiger betriebsinterner Regelungen

Folgende betriebsinterne Regelungen bzw. damit verbundene Fristen gegebenenfalls zusätzlich beachten werden:

  • Eventuell Kurzarbeiterklausel in Anstellungsverträgen
  • Vereinbarungen mit dem Betriebsrat und gegebenenfalls Ankündigungsfristen (eher unwahrscheinlich)
  • tarifliche Regelungen bei der Einführung von Kurzarbeitergeld (eher unwahrscheinlich)

b) Kündigungen

Auch Kündigungen kommen in Zeiten der Covid-19 Krise durchaus in Betracht. Es gelten aber weiterhin die strengen Voraussetzungen des Kündigungsschutzgesetzes (soweit dies anwendbar ist und nicht beispielsweise ein Kleinstbetrieb mit nicht mehr als zehn Arbeitnehmern besteht). Eine Kündigung ist nur dann sozial gerechtfertigt, wenn sie durch Gründe, die in der Peron oder dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung entgegenstehen, bedingt ist.

Die betriebsbedingte Kündigung wird der Regelfall der „Corona-bedingten“ Kündigung sein, wenn das Unternehmen erhebliche Umsatzeinbußen hat und Sparmaßnahmen vornehmen muss. Zwar ist die Entscheidung, Mitarbeiter zu entlassen, durch die Arbeitsgerichte nur bedingt nachprüfbar. Allerdings müssen auf Grund der getroffenen unternehmerischen Entscheidung jedenfalls konkrete Arbeitsplätze entfallen. Zudem muss der Arbeitgeber eine Sozialauswahl durchführen. Von mehreren vergleichbaren Arbeitnehmern ist das Arbeitsverhältnis des Arbeitnehmers zu beenden, der unter sozialen Gesichtspunkten am wenigstens getroffen wird.

Erste Überlegungen zur Einsparung von Personal können jedenfalls dazu führen, dass zunächst diejenigen Mitarbeiter gekündigt werden, die nicht durch das Kündigungsschutzgesetz geschützt werden. So kann ein Mitarbeiter in den ersten sechs Monaten seiner Tätigkeit (Probezeit) ohne Angabe von Gründen unter Einhaltung einer kurzen Kündigungsfrist (idR zwei Wochen) gekündigt werden.

Sollte die Kündigung einer Vielzahl von Mitarbeitern erforderlich sein, ist ggf. zusätzlich eine Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit einzureichen, wenn die gesetzlich normierten Schwellenwerte überschritten werden. Auch dies erfordert eine längere Planung der einzelnen Schritte bis zur Ausführung der Kündigungen.

Soweit in Ihrem Unternehmen ein Betriebsrat existiert, ist dieser vor jeder Kündigung anzuhören. Das gilt ohne Ausnahme auch in Krisenzeiten, so dass eine Kündigung ohne vorherige Anhörung des Betriebsrats unwirksam wäre.

c) Sonstige kurzfristige Maßnahmen

Weiterhin werden Unternehmen ermutigt, Soforthilfen des Bundes in Anspruch zu nehmen. Bei der Beantragung stehen wir Ihnen gern unterstützend zur Seite. In Betracht kommen u.a:

  • Einmalzahlung zur Liquiditätssicherung für Kleinstbetriebe und Solo-Selbständige;
  • Härtefallfonds für kleine Unternehmen;
  • Liquiditätshilfen für alle Unternehmen (sog. KfW Sonderprogramm 2020);
  • KfW Sonderprogramm für junge und etablierte Unternehmen;
  • KfW Unternehmerkredit

2. Langfristige Maßnahmen

Niemand kann zum jetzigen Zeitpunkt abschätzen, wie lange und in welchem Umfang die Beschränkungen aufrecht erhalten werden müssen, um die Gefahr der Ansteckung mit Covid-19 ausreichend zu vermindern. Während einerseits die Wirtschaft stabilisiert werden soll, soll zugleich verhindert werden, dass die Lockerung der Maßnahmen zu einem erneuten Anstieg der Infektionsrate führt.

Unternehmen, die diese Planungsunsicherheit nun aushalten müssen, sollten daher bereits jetzt einen langfristigen Plan zur Restrukturierung erarbeiten, um die Zukunft des Unternehmens strategisch zu gestalten. Die Überlegungen dazu sollten umfassen:

  • Portfoliooptimierung und strategische Zukunftsgestaltung, z.B. neue Arbeitszeitkonzepte, Digitalisierung etc.
  • Stilllegung von Abteilungen, die rote Zahlen schreiben.
  • Verkauf von Geschäftsbereichen, die Verluste einfahren.
  • Prozessoptimierung, um durch die Verschlankungen von Prozessabläufen Kosten zu sparen.
  • Liquiditäts- und Finanzierungssicherheit, insbesondere Maßnahmen zur kurzfristigen Liquiditätsverbesserung, wie z. B. Verkauf von Gebäuden, Fahrzeugen oder Maschinen, die anschließend zurückgeleast werden.
  • Personalabbau, um Kosten zu sparen.

3. Rückkehr an den Arbeitsplatz

Die überwiegende Anzahl der Arbeitnehmer ist zur Zeit im Home Office tätig, es sei denn ihre Tätigkeit erfordert zwingend eine Anwesenheit vor Ort im Unternehmen. Mit der Lockerung der Kontaktsperren, die teilweise bereits seit Anfang Mai gelten, werden gleichermaßen Arbeitgeber und Arbeitnehmer darauf drängen, wieder vor Ort tätig zu sein. Eine Rückkehr an den Arbeitsplatz kann jedoch nicht business as usual sein. Die Rückkehr zum Vorkrisen-Status quo kann nur schrittwiese und mit der gebotenen Vorsicht erfolgen. Ein hohes Maß an Sicherheit und am Arbeitsplatz schafft dafür die Voraussetzung.

Arbeitgeber sind daher verpflichtet, Maßnahmen zu ergreifen, die vernünftigerweise erforderlich sind, um die Gesundheit und Sicherheit ihrer Arbeitnehmer zu schützen. Ein betrieblicher Infektionsschutzstandard, der die notwendigen zusätzlichen Arbeitsschutzmaßnahmen festschreibt, soll den Mitarbeitern die notwendige Sicherheit geben, wenn sie ihre Arbeit im Betrieb wieder aufzunehmen. Das setzt ein hinreichendes Vertrauen der Mitarbeiter in Wirksamkeit und Reichweite der Maßnahmen der Pandemiebekämpfung voraus.

a) Gesundheits- und Sicherheitsfragen

Aus der Fürsorgepflicht als Arbeitgeber ergibt sich, dass Sie über einen Aktionsplan verfügen, der sowohl die Gesundheit und Sicherheit der Belegschaft insgesamt schützt als auch den Datenschutz der Mitarbeiter angemessen berücksichtigen muss. Ignorieren Arbeitgeber den Schutz der Gesundheit Ihrer Mitarbeiter und/ oder verletzen die Regelungen des Datenschutzes, setzen sie sich mit großer Wahrscheinlichkeit Schadensersatzansprüchen aus.

Ein Aktionsplan mit dem betrieblichen Infektionsschutzstandard sollte die folgenden Maßnahmen beinhalten:

(1) Zugangskontrollen

Der Zugang zum Arbeitsplatz sollte davon abhängig gemacht werden, dass Mitarbeiter keine Covid-19-Symptome aufweisen. Insbesondere Mitarbeiter mit Fieber und nicht abgeklärten Atemwegssymptomen sollen sich generell nicht auf einem Betriebsgelände aufhalten. Der Arbeitgeber hat dazu ein Verfahren zur Abklärung von Verdachtsfällen festzulegen. Dazu darf er auch personenbezogene (Gesundheits-) Daten von Mitarbeitern erheben und verarbeiten, soweit dies dazu dient, eine Ausbreitung des Virus unter den Mitarbeitern zu verhindern. Die Verarbeitung der sensible Gesundheitsdaten kann durch § 26 Abs. 3 BDSG und Art. 9 Abs. 2 lit. b) DSGVO gerechtfertigt sein. Die Verarbeitung von Gesundheitsdaten ist vor allem dann zulässig, wenn sie zur Erfüllung der Fürsorgepflicht des Arbeitgebers erforderlich ist und das schutzwürdige Interesse der Beschäftigten an dem Ausschluss der Verarbeitung nicht überwiegt. Zusätzlich muss der einzelne Mitarbeiter über die Verarbeitung seiner Daten, den Zweck der Verarbeitung, den Schutz seiner Daten, die Dauer der Aufbewahrung sowie die Löschung der Daten nach Zweckerreichung informiert sein. Zur eigenen Absicherung sollten Arbeitgeber sicher stellen, dass sowohl die ergriffenen Maßnahmen als auch die datenschutzrechtliche Bewertung dokumentiert ist.

(2) Verhaltensregeln am Arbeitsplatz

Grundsätzlich sollte es im Betrieb selbstverständlich sein, dass die Mitarbeiter einen Mindestabstand von 1,5 m wahren und in Zweifelsfällen einen Mund-Nasen-Schutz tragen. In engen Räumen wie der Flurküche, dem Bad oder im Fahrstuhl sollten sich - je nach Größe der Räumlichkeit - nicht mehr als zwei Personen aufhalten und einen Mund-Nasen-Schutz tragen.

Mehrfachbelegungen von Büroräumen sind zu vermeiden, so dass zwangläufig weiterhin Teile der Belegschaft im Home Office verbleiben sollten. Auch für interne Besprechungen bzw. Besprechungen mit Kunden etc. von außerhalb sollte es betriebsinterne Regelungen geben; bestenfalls können persönliche Besprechungen ganz vermieden und durch Videokonferenzen ersetzt werden.

(3) Hygiene im Betrieb

Als Arbeitgeber haben Sie dafür Sorge zu tragen, dass zur Reinigung der Hände ausreichend hautschonende Flüssigseife und Handtuchspender zur Verfügung stehen. Sowohl die Sanitärräume und die Küchen bzw. Kantinen und sonstige Pausenräume als auch die Büroräume sind einer regelmäßigen und in kleineren Intervallen als sonst üblich einer Reinigung zu unterziehen. Intern muss der Arbeitgeber dazu konkrete Vorgaben machen, so dass auch das Reinigen von Türklinken und Handläufe umfasst ist. Das gleiche gilt selbstverständlich auch für die üblichen Menschenansammlungen in der Kantinenschlage als auch bei der Geschirrrückgabe, die reguliert werden müssen.

(4) Sofortmaßnahmen im Verdachtsfall

Für den Fall, dass trotz aller Sicherheitsvorkehrungen eine COVID-19 Infektion innerhalb der Belegschaft auftreten sollte, sollte der Arbeitgeber schon vorab einen Maßnahmenplan entwickeln, um unmittelbar Vorkehrungen für die übrigens Mitarbeiter treffen zu können. Dazu gehört nicht nur, dass Mitarbeiter mit entsprechenden Symptomen aufgefordert werden müssen, umgehend das Betriebsgelände zu verlassen und bis zur ärztlichen Abklärung des Verdachts nicht an den Arbeitsplatz zurückzukehren. Zusätzlich sollte der Arbeitgeber auch vorab Regelungen treffen, um bei einer bestätigten Infektion diejenigen Personen zu ermitteln und zu informieren, bei denen durch Kontakt mit der betroffenen Person ebenfalls ein Infektionsrisiko besteht.

Das Gleiche gilt für die arbeitsmedizinische Vorsorge und den Schutz derjenigen Mitarbeiter, die auf Grund von Vorerkrankungen besonders gefährdet sind oder aber in einem Haushalt leben mit Personen, die besonders gefährdet sind. Hier hat der Arbeitgeber besondere Vorkehrungen zu treffen, um diese Personen schützen. Dies kann in Einzelfällen dazu führen, dass Mitarbeiter weiterhin im Home Office tätig sind, auch wenn die überwiegende Anzahl der Mitarbeiter wieder vor Ort tätig ist.

b) Vertragsanpassungen nach dem Lockdown

Nach acht oder mehr Wochen im Home Office oder in Kurzarbeit mag der ein oder andere Arbeitnehmer die Frage an Sie herantragen, ob er weiterhin seine Arbeitszeiten flexibler als vor dem Beginn der Kontaktsperre gestalten darf.

(1) Teilzeitverlangen

Grundsätzlich hat jeder Arbeitnehmer einen gesetzlichen Anspruch darauf, seine im Arbeitsvertrag festgelegte Arbeitszeit zu verringern – und zwar nicht nur während oder nach der Elternzeit oder zur Pflege von Angehörigen. Das gilt auch für Arbeitnehmer in leitenden Positionen. Ebenso können Minijobber, befristet Beschäftigte oder Mitarbeiter, die bereits in Teilzeit arbeiten, beantragen, weniger Stunden in der Woche zu arbeiten.

Dazu muss das Arbeitsverhältnis länger als sechs Monate bestehen und der Arbeitgeber muss mehr als 15 Arbeitnehmer beschäftigen. Sind diese Voraussetzungen erfüllt, muss der Arbeitnehmer dem Arbeitgeber sein Teilzeitverlangen mit einer Vorlaufzeit von mindestens drei Monaten schriftlich und unter Angabe der gewünschten Stundenzahl mitteilen.

Möchten der Arbeitgeber dem Teilzeitwunsch entsprechen, müssen Sie den Arbeitsvertrag entsprechend anpassen. Der Arbeitgeber kann den Teilzeitwunsch aber auch wegen entgegenstehender betrieblicher Gründe ablehnen. Teilt er dies dem Arbeitnehmer jedoch nicht spätestens einen Monat vor dem gewünschten Beginn ab, so verringert sich die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit automatisch in dem gewünschten Umfang.

Ein Arbeitnehmer, der aus den Erfahrungen des Covid-19 Krise heraus zunächst für einen zeitlich begrenzten Zeitraum in Teilzeit arbeiten will, kann den seit Januar 2019 bestehenden Anspruch auf sog. Brückenteilteil geltend machen. Der Rechtsanspruch sieht vor, dass Arbeitnehmer, die länger als sechs Monate in einem Unternehmen mit mehr als 45 Arbeitnehmern beschäftigt sind, ihre Arbeitszeit für einen Zeitraum von mindestens einem, höchstens jedoch für fünf Jahre ihre Arbeitszeit reduzieren können. Diese zeitliche Begrenzung gewährt sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer Planungssicherheit.

(2) Verschieben der regelmäßigen täglichen Arbeitszeit

Soweit die tägliche Arbeitszeit nicht bereits im Arbeitsvertrag festgeschrieben ist, bestimmt der Arbeitgeber im Zuge seines Direktionsrechts über die Lage der täglichen Arbeitszeit. In der Phase der Lockerung der COVID-19 bedingten Beschränkungen kann es erforderlich sein, dass Mitarbeiter, die mit den öffentlichen Verkehrsmitteln zur Arbeit fahren, nicht zu den üblichen Stoßzeiten zur Arbeit kommen, soweit die betrieblichen Abläufe nicht eine bestimmte Einsatzzeit erfordern. Dies sollte individuell abgestimmt werden.

Soweit im Unternehmen ein Betriebsrat besteht, steht diesem ein Mitbestimmungsrecht bei der Festlegung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit einschließlich der Pausen sowie Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage zu.

(3) Anspruch auf Home Office

Einen Rechtsanspruch auf Home Office existiert in Deutschland bisher nicht. Zur Zeit liegt die Entscheidung, ob Arbeiten im Home Office für den Arbeitnehmer möglich ist, prinzipiell beim Arbeitgeber. Mitarbeiter können also nicht vom Unternehmen verlangen, dass sie auch nach Aufhebung der Kontaktbeschränkungen weiterhin von zu Hause aus arbeiten. Es gibt Bestrebungen von Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD), ein Recht auf Home Office einzuführen. Einen entsprechenden Gesetzesentwurf will er im Herbst vorlegen. Ob sich dies grundsätzlich durchsetzen lässt, werden die Erfahrungen aus der Covid-19 Krise zeigen. Zumindest lässt sich schon jetzt absehen, dass jedenfalls die Akzeptanz der Arbeitgeber gegenüber dem Home Office zusehends steigt.

III. Zusammenfassung

Je weiter die Bundesregierung und die Länder die Kontaktbeschränkungen lockern und die allmähliche Rückkehr zur Arbeit möglich wird, desto mehr werden in diesem Advisory aufgeworfenen Fragen in den meisten Unternehmen in den Vordergrund rücken.

Auch Arbeitgeber, die bereits zu Beginn der Krise Kurzarbeit beantragt hatten, müssen jetzt mit dem Planungsprozess für die schrittweise Rückkehr aus der Krise beginnen. Wie muss die Arbeit angesichts der anhaltenden Notwendigkeit eines Mindestabstands organisiert werden? Welche Sicherheitsmaßnahmen können im Unternehmen erforderlich sein, um die Ausbreitung des Virus zu verhindern? Wie wird der Arbeitgeber mit einem zu erwartenden sprunghaften Anstieg der Zahl der Mitarbeiter umgehen, die von zu Hause aus weiterarbeiten wollen? Wird der Arbeitgeber in der Lage sein, Mitarbeiter zu halten oder werden Anpassungen der Arbeitsbedingungen und ggf. auch Entlassungen erforderlich sein? Unser Arbeitsrechtsteam mit erfahrenen Beratern steht Ihrem Unternehmen bei der Umsetzung der genannten Maßnahmen gern Verfügung.

© Arnold & Porter Kaye Scholer LLP 2020 Alle Rechte vorbehalten. Diese Beratung ist als allgemeine Zusammenfassung gedacht und stellt keine Rechtsberatung dar. Sie sollten einen Rechtsberater konsultieren, um die anwendbaren rechtlichen Anforderungen in einer bestimmten Sachlage zu bestimmen.