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19. März 2020

Europäische Kommission genehmigt erstes COVID-19-Beihilfeprogramm innerhalb von 24 Stunden, deutsche Regierung kündigt Maßnahmen zur Unterstützung der deutschen Wirtschaft an

Coronavirus: Antitrust/Competition Advisory

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Am 13. März 2020 genehmigte die Europäische Kommission die erste von Dänemark beantragte Beihilferegelung zur Entschädigung von Organisatoren von Großveranstaltungen für Verluste oder Schäden, die durch die Absage von Veranstaltungen aufgrund der Coronavirus-Pandemie (COVID-19) verursacht wurden. Dies war die erste staatliche Beihilfemaßnahme, die ein EU-Mitgliedstaat bei der Kommission im Zusammenhang mit dem COVID-19 angemeldet hat.

Als Reaktion auf den Ausbruch der Coronavirus-Pandemie kündigte die deutsche Regierung kürzlich verschiedene Maßnahmen an, um kleinen, mittleren und großen Unternehmen in Deutschland zu helfen, sei es aufgrund nationaler Maßnahmen zur Bekämpfung von Ausbrüchen, Reisebeschränkungen oder Unterbrechungen der Lieferketten, wobei über die staatliche Förderbank KfW eine unbegrenzte Liquiditätshilfe bereitgestellt werden soll.

Staatliche Beihilfen in der EU und COVID-19

Im Allgemeinen ist ein Mitgliedstaat verpflichtet, jede staatliche Beihilfe oder eine staatliche Beihilfemaßnahme für eine Gruppe von Begünstigten vor ihrer Durchführung anzumelden (Art. 108(3) AEUV). Eine staatliche Beihilferegelung darf erst nach Genehmigung durch die Kommission in Kraft treten.

Die erste staatliche Beihilferegelung als Reaktion auf die COVID-19-Krise wurde von Dänemark angemeldet und von der Kommission innerhalb von 24 Stunden nach Eingang der Anmeldung genehmigt. Normalerweise dauert eine solche Beihilfeprüfung Wochen oder Monate oder länger. Solch schnellen Beihilfe-Entscheidungen innerhalb von 24 oder 48 Stunden hat es zuletzt in der Finanzkrise gegeben. Auch jetzt ist die Kommission wieder bereit, rasch zu handeln. Die Kommission genehmigte das dänische Hilfeprogramm und erklärte, dass es Organisatoren von Veranstaltungen mit entweder (1) mehr als 1.000 Teilnehmern oder (2) für bestimmte Risikogruppen, wie z.B. ältere oder gefährdete Menschen, unabhängig von der Anzahl der Teilnehmer, die aufgrund des COVID-19-Ausbruchs abgesagt oder verschoben werden mussten, entschädigen sollte. Im Rahmen dieser dänischen Beihilferegelung hätten die Betreiber Anspruch auf eine Entschädigung durch Dänemark für die Verluste, die sie durch die Absage oder Verschiebung von Veranstaltungen erlitten haben, für die z.B. bereits Eintrittskarten verkauft wurden.

COVID-19 Krise als Naturkatastrophe oder außergewöhnliches Ereignis

Die rechtliche Grundlage für die Entscheidung der Kommission war Art. 107(2)(b) AEUV. Diese Regel sieht vor, dass "Beihilfen zur Beseitigung von Schäden, die durch Naturkatastrophen oder sonstige außergewöhnliche Ereignisse entstanden sind", automatisch "mit dem Binnenmarkt vereinbar" sind. Im Gegensatz zu den meisten anderen Formen staatlicher Beihilfen, die einer Genehmigung bedürfen, ist eine begrenzte Anzahl von staatlichen Beihilfen automatisch rechtmäßig, dies ist eine davon.

Weder der AEUV noch andere Rechtsvorschriften der Union enthalten eine Definition der Begriffe "Naturkatastrophe“ oder „außergewöhnliches Ereignis". Da dies Ausnahmen vom allgemeinen Verbot staatlicher Beihilfen im Binnenmarkt (Art. 107 Abs. 1 AEUV) darstellen, haben Kommission und die Gerichte durchweg diese Begriffe "Naturkatastrophe" und "außergewöhnliches Ereignis" eng ausgelegt. In Anbetracht der in der Entscheidung erläuterten Gründe wird die derzeitige COVID-19 Krise als außergewöhnliches Ereignis eingestuft, da sie nicht vorhersehbar war, da sie sich durch ihren Charakter und durch ihre Auswirkungen auf die betroffenen Unternehmen und die Wirtschaft im Allgemeinen deutlich von gewöhnlichen Ereignissen unterscheidet und daher außerhalb des normalen Funktionierens des Marktes liegt. Daher kann das COVID-19 als außerordentliches Ereignis im Sinne von Art. 107 Abs. 2 b) AEUV betrachtet werden. Folglich sind Interventionen der Mitgliedstaaten zum Ausgleich der Schäden im Zusammenhang mit dem Ausbruch von COVID-19 gerechtfertigt.

Diese Entscheidung bedeutet jedoch nicht, dass die Mitgliedstaaten völlige Freiheit haben. Jede von einem Mitgliedstaat gewährte Beihilfe muss vollständig mit den EU-Beihilfevorschriften vereinbar sein. Um mit Art. 107 AEUV vereinbar zu sein, muss eine staatliche Beihilfe in einem angemessenen Verhältnis zu dem durch das außergewöhnliche Ereignis verursachten Schaden stehen. Sie darf nicht zu einer Überkompensation des Schadens führen und nur den durch das außergewöhnliche Ereignis verursachten Schaden ausgleichen, zudem darf keine Überkompensierung der Begünstigten erfolgen.

Staatliche Beihilfen in Deutschland

Am 13. März 2020 kündigte die Bundesregierung verschiedene Maßnahmen zur Unterstützung des deutschen Mittelstandes, aber auch kleiner und sehr großer Unternehmen an. In einem ersten Schritt sollen die bestehenden Liquiditätshilfeprogramme ausgeweitet werden, um den Unternehmen den Zugang zu günstigen Krediten zu erleichtern. Dabei sollen in großem Umfang liquiditätssteigernde Kredite von Geschäftsbanken mobilisiert werden. Zu diesem Zweck werden die von der Bundesregierung eingerichteten Instrumente, die die von privaten Banken angebotenen Kredite ergänzen, ausgeweitet und einer größeren Zahl von Unternehmen zur Verfügung gestellt:

  • Die Konditionen für den KfW-Unternehmerkredit (Geschäftskredit für bestehende Unternehmen) und den ERP-Gründerkredit-Universell (Gründungsdarlehen für Unternehmen, die weniger als fünf Jahre alt sind) werden gelockert, indem die Risikoübernahme (Haftungsfreistellung) für Betriebsmittelkredite erhöht und auf Großunternehmen mit einem Umsatz bis zu € 2 Milliarden ausgedehnt wird (bisher lag die Grenze bei € 500 Millionen). Höhere Risikoübernahmen von bis zu 80% bei Betriebsmittelkrediten bis zu € 200 Millionen werden die Bereitschaft der Banken zur Kreditvergabe erhöhen.
  • Beim KfW-Kredit für Wachstum, dem Programm für größere Unternehmen, wird die derzeitige Umsatzschwelle von € 2 Milliarden auf € 5 Milliarden angehoben. Diese Kredite werden künftig in Form von Konsortialkrediten vergeben und sind nicht auf Projekte in einem bestimmten Bereich beschränkt (bisher waren nur Innovations- und Digitalisierungsprojekte förderfähig). Die Risikoübernahme wird auf bis zu 70% (von 50%) erhöht. Damit wird der Zugang größerer Unternehmen in Deutschland zu Konsortialkrediten verbessert.
  • Für große Unternehmen mit einem Umsatz von mehr als € 5 Milliarden wird weiterhin Unterstützung auf Einzelfallbasis gewährt.

Für die deutschen Bürgschaftsbanken wird der Bürgschaftsrahmen auf € 2,5 Millionen verdoppelt. Der Bund wird seinen Risikoanteil an den Bürgschaftsbanken um 10% erhöhen, um die Risikoübernahme zu erleichtern. Die Obergrenze von 35% der Betriebsmittel des Gesamtengagements der Bürgschaftsbanken wird auf 50% erhöht. Um die Liquiditätsversorgung zu beschleunigen, räumt der Bund den Bürgschaftsbanken die Freiheit ein, innerhalb von drei Tagen eigenständig Bürgschaftsentscheidungen bis zu € 250.000 zu treffen.

Das Großbürgschaftsprogramm (parallele Bürgschaften von Bund und Ländern), das bisher auf Unternehmen in strukturschwachen deutschen Regionen beschränkt war, soll auch für Unternehmen in anderen Regionen geöffnet werden. Der Bund deckt in diesem Programm Betriebsmittelkredite und Investitionen mit einem Bürgschaftsbedarf ab € 50 Millionen und einer Bürgschaftsquote von bis zu 80% ab.

All diese Maßnahmen sind bereits durch die bestehenden EU-Beihilfevorschriften abgedeckt.

  • Die Bundesregierung wird nun zusätzliche KfW-Sonderprogramme für Unternehmen auflegen, die aufgrund der COVID-19-Krise vorübergehend in ernsthafte finanzielle Schwierigkeiten geraten sind und daher keinen leichten Zugang zu bestehenden Förderprogrammen haben. Dies soll durch eine krisenadäquate Erhöhung der Risikotoleranz der KfW erreicht werden. Die Risikoübernahme für Investmentfonds (Entschädigung) wird deutlich verbessert und beträgt bei Betriebsmitteln bis zu 80 % und bei Investitionen bis zu 90 %. Darüber hinaus werden für diese Unternehmen Konsortialstrukturen angeboten.

Diese Sonderprogramme werden nun der Europäischen Kommission vorgelegt, und die Genehmigung wird in Kürze erwartet.

Ausblick

Die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, sagte bereits, dass sie angesichts der Coronavirus-Krise dafür sorgen werde, dass die EU-Regeln für staatliche Beihilfen flexibel angewendet werden. Die Finanzminister der EU und der Eurogruppe werden sich für die notwendige Flexibilität seitens der Europäischen Kommission einsetzen. Ursula von der Leyen versicherte der europäischen Wirtschaft und den Bürgern, dass die Kommission daran arbeitet, "sicherzustellen, dass staatliche Beihilfen an Unternehmen fließen können, die sie benötigen".

In einer weiteren Erklärung erläuterte die Exekutiv-Vizepräsidentin der Kommission, Margrethe Vestager, die Strategie der Kommission zur Bewältigung des Zusammenspiels zwischen den Vorschriften für staatliche Beihilfen und der Notwendigkeit einer schnellen Reaktion der Mitgliedstaaten auf die COVID-19-Krise. Margrethe Vestager teilte mit, dass die Regierungen möglicherweise staatliche Beihilfen in viel größerem Umfang gewähren müssen und dass die EU-Beihilfevorschriften eine weitreichende Unterstützung in den EU-Mitgliedstaaten ermöglichen, die mit einer ernsthaften Störung ihrer Wirtschaft konfrontiert sind.

Am 17. März 2020 schlug die Europäische Kommission den Mitgliedstaaten die Annahme eines befristeten Rahmens vor, der unter anderem (1) Regelungen ermöglicht, die direkte Zuschüsse (oder Steuervorteile) bis zu € 500.000 für ein Unternehmen ermöglichen, (2) subventionierte staatliche Garantien für Bankdarlehen und (3) öffentliche und private Darlehen mit subventionierten Zinssätzen. Der Vorübergehende Rahmen soll in Kürze in Kraft treten.

Die Bundesregierung wird staatliche Förderbank KfW in die Lage versetzen, diese Programme durch die Bereitstellung der erforderlichen Garantievolumina zu finanzieren. Der deutsche Bundeshaushalt umfasst einen Garantierahmen von rund € 460 Milliarden. Dieser kann bei Bedarf kurzfristig um bis zu € 93 Milliarden aufgestockt werden.

Unternehmen, die von der COVID-19-Krise betroffen sind, können sich an ihre jeweiligen Hausbanken oder Regierungen wenden, um sich auf Unterstützung im Einklang mit den oben genannten Leitlinien zu verlassen. Wir gehen davon aus, dass noch restriktivere Maßnahmen zur Eindämmung des Virus erfolgen bzw. wahrscheinlich noch einige Zeit in Kraft bleiben und möglicherweise noch verstärkt werden. Die oben genannten Vorschläge reichen evt. nicht aus, so dass weitere substantiellere Pakete erforderlich sein werden, um die Folgen angemessen zu behandeln.

Für weitere Informationen zu diesen Themen wenden Sie sich bitte an Dr. Sebastian Jungermann oder an ein Mitglied der Corona Task Force von Arnold & Porter.

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